Die Bedeutung der Wahlen in Brasilien für den Klimaschutz und die Zukunft Amazoniens
Für unsere Partner:innen in den indigenen Territorien ist der 2. Oktober von großer Bedeutung.
Die Wahlen in Brasilien stehen an. Geht die Bedrohung für indigene Völker und die Ausbeutung ihrer Territorien weiter oder gibt es einen politischen Wandel?
Ein Blick nach Brasilien
Aktuellen Umfragen zufolge liegt der frühere Präsident Brasiliens, Luiz Inácio Lula da Silva, im Präsidentschaftswahlkampf deutlich vor Jair Bolsonaro. Der linke Politiker erhielt in einer Umfrage von Datafolha 47 % der Wähler:innenstimmen gegenüber 32 % für Bolsonaro, ein Lichtblick für Brasilien. Doch Bolsonaro versucht mit aller Kraft, als Gewinner aus dieser Wahl hervorzugehen. In der Presse wird schon jetzt von einem geplanten Staatsstreich gesprochen. Der amtierende Präsident versucht derzeit, das elektronische Wahlsystem, das seit 1996 reibungslos funktioniert, zu diskreditieren. Bolsonaro könnte versuchen, das Ergebnis im Oktober anzuzweifeln, sollte er verlieren. „Es wäre ein Traum, wenn Lula in der ersten Runde gewinnen könnte! Meiner Meinung nach ist Lula unsere einzige Chance, einen Präsidenten abzusetzen, der Brasilien in vielerlei Hinsicht zerstört. Bei dieser Wahl geht es um Demokratie, Menschenrechte und ernste Umweltfragen“, kommentiert Juliana Lins, brasilianische Biologin und Stipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung beim Klima-Bündnis. Drei Jahre lang arbeitete sie bei ISA, einer brasilianischen zivilgesellschaftlichen Organisation, die sich für den Schutz der Rechte indigener Völker und der Umwelt einsetzt, und lebte in Brasiliens „indigenster“ Gemeinde, São Gabriel da Cachoeira (90 % der Bevölkerung sind indigen). Durch ihre Arbeit bei ISA lernte sie unseren leider verstorbenen Amazonas-Experten Hans Kandler kennen und erfuhr vom Klimabündnis, da ISA eng mit FOIRN, einem langjährigen Partner des Klima-Bündnis Österreich, zusammenarbeitet.
Für die indigenen Völker Amazoniens steht viel auf dem Spiel
Diese Wahl ist insbesondere für die indigene Bevölkerung Brasiliens entscheidend. Sie haben die Auswirkungen der Politik Bolsonaros unmittelbar zu spüren bekommen, insbesondere durch die Ausbeutung ihrer Territorien durch illegale Holzfäller:innen, Bergleute oder Landräuber:innen, die Viehzucht betreiben. Zwischen 2018 und 2019 wurde im Amazonasgebiet eine Fläche abgeholzt, die der Größe des Libanon entspricht – ein Rekordhoch in zehn Jahren. Eine alarmierende Nature Studie hat 2021 außerdem festgestellt, dass der Amazonas von einer Senke zur Quelle für Emissionen wird. Hauptverursacher sind Waldbrände und Abholzungen, die seit Bolsonaros Amtsantritt um 52,9 % gestiegen sind. “Indigene Völker und der Regenwald stehen Bolsonaros Regierungsführung im Weg. Er befürtwortet Mineralienabbau und groß angelegten Bergbau, riesiges Land mit einer/einem einzigen Eigentümer:in, das in weiten Teilen monokulturell und mit Viehhaltung bewirtschaftet wird, und wenig Rechte für Arbeiter:innen. Bolsonaro erklärte sogar, er werde ‘keinen einzigen Zentimeter indigenen Landes’ abgrenzen, was gegen die brasilianische Verfassung verstößt, die die Regierung dazu verpflichtet, von indigenen Völkern besetztes Land anzuerkennen und zu schützen”, erklärt Juliana Lins die Gefahr für indigene Völker.
Doch nicht nur die Wälder und die Biodiversität im Amazonas sind in Gefahr, auch die Leben von Aktivist:innen sind zunehmend bedroht. Die Ermordung des britischen Journalisten Dom Phillips und des Experten für unkontaktierte und kürzlich kontaktierte indigene Völker, Bruno Pereira, sorgte erst im Juni für Aufsehen. Stimmen wurden laut, die Bolsonaros Politik, die die Demontage und Destrukturierung indigener Schutzeinrichtungen erst ermöglichte, mitverantwortlich machen. Er habe den Amazonas kriminellen Banden überlassen und damit den Weg für die Art von Gewalt geebnet, die das Leben von Phillips und Pereira forderte. "Leider ist Ermordung von Phillips und Pereira sehr nah an meiner eigenen Lebensrealität. Ein sehr enger Freund war Brunos Arbeitspartner. Diese Ermordung ist eine Zäsur und wird in den Geschichtsbüchern über den Amazonas stehen”, kommentiert Juliana Lins.
Wie internationale Partnerschaften unterstützen können
Die politischen Entwicklungen in Brasilien und das Schicksal unserer indigenen Partner:innen gehen uns alle an. So ist die Zukunft des Amazonas auch entscheidend für die globale Klimakrise. Umso wichtiger also, dass auch die internationale Gemeinschaft einen Beitrag leistet. Das Klima-Bündnis arbeitet seit über 30 Jahren eng mit seiner Partnerorganisation COICA, dem Dachverband der indigenen Völker im Amazonasgebiet, zusammen und steht für die Idee, Brücken zwischen Amazonien und Europa zu bauen, ein. Viele Klima-Bündnis-Mitglieder setzen diese Idee in konkrete Taten um, beispielsweise durch eigene Partnerschaften mit indigenen Völkern oder finanzielle Unterstützung, wie bspw. Köln, München oder Konstanz. Auch die Nationalkoordination pflegen enge Partnerschaften mit Amazonien, wie das Klima-Bündnis Luxemburg oder das Klimabündnis Österreich, das seit mehr als 25 Jahren mit FOIRN, dem Dachverband indigener Völker am Rio Negro (BR) zusammenarbeitet. Das Klima-Bündnis bietet zudem einige Fonds an, durch die finanzielle Unterstützung direkt vor Ort ankommt. So können indigene Völker beispielsweise in ihrem Kampf um die Rechte an ihren Territorieren durch die Finanzierung von Anwalts- oder Prozesskosten konkret unterstützt werden. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die Stadt Radolfzell am Bodensee, die für die nächsten vier Jahre 1 Euro pro Einwohner:in an zwei der Klima-Bündnis-Fonds spenden möchte.
Die chaotische Situation in Brasilien ist einer Vielzahl an Faktoren geschuldet. Dazu gehört definitiv auch die Geopolitik – hier sieht Juliana eine Mitverantwortung von Seiten Europas. Sie weist hier vor allem auf die Zerstörung Amazoniens durch extraktivistische Tätigkeiten hin. Der Großteil des in Brasilien produzierten Sojas wird exportiert – ein beträchtlicher Teil davon nach Europa. Selbst Energiegewinnung trägt häufig eher zum Erhalt der Missstände bei, z.B. der Belomonte Staudamm, der hauptsächlich dafür gebaut wurde, um den Bergbau in Pará mit Energie versorgen zu können. Einer der Hauptabnehmer des dort gewonnen Eisenerzes ist Deutschland - siehe auch "Abstauben in Brasilien - deutsche Konzerne im Zwielicht". Die Untersützung Indigener Völker über Partnerschaft hält sie deshalb für essenziell.
Die aktuelle Situation in Brasilien macht deutlich, wie wichtig Demokratien und Wähler:innenstimmen sein können, auch im Klimaschutz und wie vernetzt die Welt in der Klimakrise ist. Die Entwicklungen in Brasilien haben unmittelbare Folgen für unsere indigenen Partner:innen im Amazonas aber auch für die Menschen in Europa. Umso wichtiger ist es also, dass wir aktiv werden. Die Unterstützungsmöglichkeiten des Klima-Bündnis und die konkreten Maßnahmen einiger Klima-Bündnis-Mitglieder zeigen, wie auch Kommunen ihren Beitrag leisten können im Kampf um den Erhalt des Amazonas und können Ansporn für weitere Partnerschaften sein, die indigenen Völkern in ihrem Widerstand zentrale Hoffnung spenden können.
Quellen und weiterführende Infos auf der Website des Klima-Bündnis