Vorarlbergs Einsatz für den Regenwald
Insgesamt 30 Vorarlberger Klimabündnis-Gemeinden sowie das Land Vorarlberg haben im Sommer 2016 die Petition SOS für den Regenwald im Chocó1 unterzeichnet.
Kleine Fortschritte...
Am Morgen des 27. Oktober 2016 betrat Ivonne Mercedes Caicedo als Vertreterin des Forums aller regionalen Basisorganisation im Chocó (FISCH) das Regierungsgebäude an der Calle 37, in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá. In ihrem Gepäck über 30 Originalunterschriften von Vorarlberger Bürgermeistern, Vertretern der Landesregierung sowie des europäischen, österreichischen und Vorarlberger Klimabündnisses. In Begleitung von Österreichs Botschafterin zu Kolumbien, Marianne Feldmann und Juan Carlos Barreto, dem Bischof von Quibdó2 wurden die gesammelten Dokumente an den damaligen Umweltminister Luis Gilberto Murillo übergeben. Es folgte eine gut 1,5-stündige Sitzung im Zuge dessen die anwesenden VertreterInnen des Umweltministeriums die schwere ökologische Krise im Chocó anerkannten und ihrerseits ernsthafte Unterstützungsbekenntnisse zu Protokoll gaben. Unter anderem wurde das Verteidigungsministerium zu einem raschen Eingreifen aufgerufen, um die Sicherheitslage rund um die von illegalem Goldbergbau betroffenen Gebiete zu verbessern. Auch ein Folgetreffen in Quibdó wurde vereinbart, um konkrete Projekte zur Förderung nachhaltiger Entwicklung in den lokalen Gemeinschaften zu formulieren. Darunter auch ein Pilotprojekt der UNIDO zur ökologischen Sanierung von Gebieten am Medio Atrato, die durch maschinelle Bergbauaktivitäten zerstört wurden.
Sowohl die Botschafterin Fr. Feldmann als auch Bischof Barreto zeigten sich im Nachhinein über den guten Austausch und die Ergebnisse des Treffens sehr erfreut. Bereits wenige Wochen später besuchte ein Vertreter des Umweltministeriums zusammen mit der österreichischen Botschafterin und dem Klimabündnis Regionalkoordinator Olivo Marmolejo das besagte Pilotprojekt und konnten sich persönlich von einem komplett biologischen Gold-Extraktions-Verfahren überzeugen durch das der Einsatz von hoch giftigem Quecksilber vermieden wird.
…große Herausforderungen
Was in den Monaten danach geschah ist leider nur allzu typisch für ein Land wie Kolumbien. Zeitpläne wurden nicht eingehalten, ein Vorwärtskommen durch die komplexen Rahmenbedingungen zusätzlich erschwert und wichtige finanzielle Zusagen blieben aus.
Dann begann im Frühjahr 2018 die heiße Phase des Präsidentschaftswahlkampfs und staatliche Institutionen gingen auf Warteposition. Leider führte der Regierungswechsel im Sommer 2018 zu einem Paradigmenwechsel hinsichtlich des Friedensabkommens zwischen Staat und der FARC-Guerilla. Der aktuelle Monatsbericht der Schweizer ASK3 umschreibt sehr treffend wie sich die Situation unter dem amtierenden Präsidenten Ivan Duque seither entwickelt hat: „Im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklung setzt die Regierung voll und ganz auf den Ressourcenabbau und -export. Internationalen Konzernen soll die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen (Bodenschätze wie auch Agrargüter) noch leichter gemacht werden. Für die nachhaltige ländliche Entwicklung oder die Umsetzung des Friedensabkommens im ländlichen Raum (Finanzierung der PDET, Integrale Landreform, etc.) ist jedoch kein Geld vorhanden.“
Der bewaffnete Konflikt und soziale Spannungen haben sich seither wieder deutlich verschärft. In keinem anderen Land wurden 2018 mehr MenschenrechtsverteidigerInnen ermordet wie in Kolumbien. Viele davon haben sich für Landrechte, die Rechte von indigenen Völkern oder Umweltschutz eingesetzt.
Auch die positiven Annäherungen zwischen Klimabündnis und Regierung sind dadurch wieder an den Start zurückgeworfen worden. Der neue Präsident hat offensichtlich wenig Interesse an einer konsequenten Weiterführung des Friedensabkommens und vertritt in vielen elementaren Fragen konträre Standpunkte zu den Positionen von Klimabündnis und seiner Partner im Chocó. Es stellt sich die Frage, inwieweit diplomatische Bemühungen um eine gemeinsame Lösung von sozialen und ökologischen Herausforderungen derzeit zielführend sind. Am sinnvollsten erscheint es wohl eine sachliche Zusammenarbeit auf Verwaltungsebene anzustreben.
Was bleibt?
Die Petition SOS für den Regenwald im Chocó hat nichts desto trotz zur Unterstützung der Anliegen unserer kolumbianischen Partnerorganisationen beigetragen. Wir sind davon überzeugt, dass die Überreichung der Petition an die kolumbianische Regierung eine Verbesserung der Lebensbedingungen im Chocó angestoßen hat. So erhielten wir erst kürzlich die Nachricht, dass in dem vom Goldbergbau geschädigten Gebiet am Medio Atrato die Grundlagen für legalen und ökologischen Kleinbergbau geschaffen wurden und das Pilotprojekt der UNIDO dieses Jahr umgesetzt wird.
Andererseits werden weiterhin pro Minute weltweit über 40 Fussballfelder Regenwaldfläche durch den Menschen zerstört! Vorarlbergs Bemühungen zur Erhaltung der selbigen, dürfen im globalen Kontext als wichtige Maßnahme zur Einbremsung des Klimawandel hervorgehoben werden. Wir müssen verstehen, dass jeder auch noch so kleine Beitrag zum Schutz des Regenwaldes und seiner BewohnerInnen letztlich uns allen zu Gute kommt.
Text von Daniel Sperl, Koordinator der Partnerschaft Vorarlberg-Chocó
(1) Der Volltitel der Petition lautete „SOS für den Regenwald im kolumbianischen Teil der Tumbes-Chocó-Magdalena-Region“
(2) Quibdó ist die Hauptstadt des Chocó. In ihr lebt etwa die Hälfte der Bevölkerung des Bundeslands (ca. 200.000 EW).
(3) Die Arbeitsggruppe Schweiz-Kolumbien (ASK) leistet seit 1987 unabhängig von politischen Parteien oder Bewegungen politische Informations- und Lobbyarbeit.
Link-Tipps:
- Arbeitsggruppe Schweiz-Kolumbien (ASK) - www.askonline.ch
- United Nations Industrial Development Organization (UNIDO) - www.unido.org
- Regenwaldabholzung - Abenteuer Regenwald